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Energetische Sanierungen im Wohngebäudepark und deren ökonomische Auswirkungen

31. Juli 2024

Plywood, Wood, Indoors

In der ganzen Schweiz werden Öl- und Gasheizungen durch umweltfreundlichere Alternativen ersetzt und Gebäude nachgedämmt. Diese energetischen Sanierungen erfordern beträchtliche Investitionen, ermöglichen aber gleichzeitig Heizkostenersparnisse und Marktwertsteigerungen. Wie viel muss die Schweiz noch investieren, um den Wohngebäudepark klimaneutral zu machen? Und lohnen sich diese Investitionen für Eigentümer und Mieter?

Nachhaltigkeitslücke bei Wohngebäuden

Im Jahr 2022 war der Betrieb der Wohngebäude für 15 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Schweiz verantwortlich. Obwohl die Emissionen seit 1990 um 44 Prozent reduziert wurden, sind weitere Anstrengungen notwendig. Im Jahr 2023 waren rund 65 Prozent aller Mehrfamilienhäuser und 60 Prozent der Einfamilienhäuser, die als Erstwohnsitze genutzt werden, noch nicht nachhaltig beheizt. Dies betrifft etwa 931’000 Gebäude.

Umfassende Modellierung der energetischen Sanierungen

Wüest Partner hat in einer neuen Studie die wirtschaftlichen Auswirkungen der energetischen Sanierung des Schweizer Wohngebäudeparks bis 2050 quantifiziert. Gestützt auf umfassende Datengrundlagen modellierten wir für jedes der 931’000 noch nicht nachhaltig beheizte Wohngebäude zwei Sanierungsszenarien. Im Szenario 1 «Umfassende energetische Sanierung» ersetzen nachhaltige Heizsysteme die Öl-, Gas- und Elektroheizungen, und die Gebäudehülle wird nachgedämmt. Im Szenario 2 «Reiner Heizungsersatz» erfolgt lediglich der Austausch der Heizungen. Zunächst ermittelten wir den Investitionsbedarf, wobei Fördergelder und Steuerersparnisse vom Bruttoinvestitionsbedarf abgezogen wurden. Den so berechneten Nettoinvestitionsbedarf stellten wir der resultierenden Marktwertsteigerung gegenüber, um die Attraktivität der Sanierungen zu beurteilen. Bei Eigentumsliegenschaften betrachteten wir neben der Marktwertorientierung in der Perspektive Verkauf auch die Perspektive Weiternutzung mit Fokus auf eingesparte Heizkosten und getätigte Instandsetzungen. Bei Mietliegenschaften wurde ausserdem der Effekt auf die Bruttomiete analysiert.

Die wichtigsten Ergebnisse

  • Ökologische Nachhaltigkeit: Beide Szenarien erfüllen die Vorgabe des vom Stimmvolk legitimierten Klimagesetzes (KlG), wonach Gebäude ihre Scope-1-Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Null reduzieren sollen (Art. 4 Abs. 1 KIG). Im Szenario «Umfassende energetische Sanierung» wird darüber hinaus der Energiebedarf stärker reduziert als im Szenario «Reiner Heizungsersatz», bei dem der Wärmebedarf unverändert bleibt.
  • Investitionsbedarf: Energetische Sanierungen erfordern erhebliche finanzielle Mittel. Aus den beiden Szenarien resultiert eine geschätzte Bandbreite des Bruttoinvestitionsbedarfs bis 2050 von 52 bis 228 Milliarden Franken zu aktuellen Preisen. In diesen Beträgen sind alle ohnehin fälligen Instandsetzungsmassnahmen inbegriffen. Das heisst, es handelt sich nicht um Zusatzkosten aufgrund des KIG, sondern um eine Schätzung des energetischen Investitionsumfangs bei den 931’000 Wohngebäuden. Dabei stellt das Szenario «Reiner Heizungsersatz» den Mindestbedarf dar; das Szenario «Umfassende energetische Sanierung» ist als Schätzung im oberen Bereich zu interpretieren.
  • Wertsteigerungen: Die aus den Sanierungsmassnahmen resultierenden Marktwertsteigerungen betragen 81 Milliarden Franken im Szenario «Reiner Heizungsersatz» und 168 Milliarden Franken im Szenario «Umfassende energetische Sanierung». Nach Abzug von Fördergeldern und Steuersparnissen ergibt sich für die Eigentümer im Szenario «Umfassende energetischen Sanierung» gesamthaft über alle zu sanierenden Wohngebäude eine schwarze Null, während das Szenario «Reiner Heizungsersatz» einen deutlich positiven Return on Investment verspricht (vgl. Nettoinvestitionen gegenüber Marktwertsteigerung in Abbildung 1).
  • Wirtschaftlichkeit: Die Rentabilität für den Eigentümer variiert je nach Objekt und Sanierungsmassnahme, zeigt jedoch klare Muster. Sie sinkt typischerweise mit der Sanierungstiefe, steigt jedoch mit der Höhe der staatlichen Unterstützung, der Grösse der Liegenschaft und dem lokalen Preisniveau.
  • Mietobjekte: Eine positive Wirtschaftlichkeit von energetischen Sanierungen ist bei Mietwohnungen häufiger gegeben als bei Wohneigentum, da berichterstattungspflichtige institutionelle Investoren bereit sind, eine höhere Prämie für nachhaltige Liegenschaften zu zahlen als Privatpersonen. Darüber hinaus werden die Investitionskosten bei Renditeliegenschaften teilweise zwischen Mietern und Eigentümern aufgeteilt. Bei gut der Hälfte der Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen ist eine umfassende energetische Sanierung für den Eigentümer kostendeckend durchführbar (vgl. Abbildung 2).
  • Wohneigentum: Die energetische Sanierung von Wohneigentum ist wirtschaftlich attraktiver bei einer Weiternutzung als bei einem Verkauf. Im Falle eines Verkaufs lohnt sich eine vorhergehende umfassende Sanierung meist nicht, wohingegen ein reiner Heizungsersatz bei vielen Liegenschaften wirtschaftlich attraktiv ist. Für die Weiternutzung lohnt sich die umfassende energetische Sanierung dank der erheblichen Heizungskostenersparnisse bei gut der Hälfte der Einfamilienhäuser und bei gut einem Drittel der Mehrfamilienhäuser mit Eigentumswohnungen (vgl. Abbildung 3).
  • Soziale Nachhaltigkeit: Mieter profitieren nach energetischen Sanierungen typischerweise von niedrigeren Gesamtwohnkosten, da die deutlich geringeren Heizkosten in den meisten Fällen einen möglichen Anstieg der Nettomieten überkompensieren. Hochgerechnet auf alle zu sanierenden Mietliegenschaften der Schweiz steht dem Nettomietzinsanstieg um 1,7 Milliarden Franken pro Jahr im Szenario «Umfassende energetische Sanierung» Heizkostenersparnisse von 2,6 Milliarden Franken pro Jahr gegenüber (vgl. Abbildung 4). Rein energetische Sanierungen von Mietwohnungen können somit sozial verträglich sein, sodass die ökologische Nachhaltigkeit der sozialen Nachhaltigkeit nicht im Weg stehen muss.
Abbildung 1. Energetische Sanierungen: Investionskosten im Vergleich zur Marktwertsteigerung (in Milliarden CHF) 
Abbildung 2. Mietwohngebäude: Anteil der Gebäude, bei denen sich eine energetische Sanierung wirtschaftlich lohnt
Abbildung 3. Wohneigentum: Anteil der Gebäude, bei denen sich eine energetische Sanierung wirtschaftlich lohnt
Abbildung 4. Veränderung für Bestandesmieter nach einer umfassenden energetischen Sanierung (ganze Schweiz, in CHF pro Jahr)

Diesen Abschätzungen basieren auf Annahmen sowie der aktuellen Ausgangslage. Die Resultate können stark von äusseren Umständen wie der zukünftigen Entwicklung der Diskontierungssätze und der Bau- und Energiepreise, dem technologischen Fortschritt sowie gesetzlichen Anpassungen beeinflusst werden.

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